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Brave GNU World - Ausgabe 16
Copyright © 2000 Georg C. F. Greve <greve@gnu.org>
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Willkommen zur sechzehnten Ausgabe von Georg's Brave GNU World. Wie auch in den letzten Monaten habe ich ein wieder ein Projekt aus dem Bereich "Instant Messaging", mit dem ich gerne den Anfang machen möchte.

Everybuddy

Everybuddy von Torrey Searle ist ein Instant Messaging Client, der die ICQ, AIM, Yahoo und MSN Protokolle unterstützt und es einem so ermöglicht, mit Benutzern dieser Dienste über einen Client zu kommunizieren. Dabei unterscheidet Everybuddy zwischen Accounts und Kontakten - also Personen. Jedem Kontakt können mehrere Accounts bei verschiedenen Diensten zugeordnet werden. Bei Doppelklick auf den Kontakt wird die Liste abgearbeitet und der erste verfügbare Account verwendet. Sollte mitten in der Unterhaltung beispielsweise der ICQ Account des Gegenübers offline gehen während er über AIM noch erreichbar ist, so schaltet Everybuddy automatisch um. Dies geschieht vollständig transparent, der Benutzer schreibt einfach im normalen Fenster weiter.

Diese Transparenz zu erreichen bezeichnet Torrey Searle auch als eines der größten Probleme, da alle Dienste ihre kleinen Macken haben, die vor dem Benutzer verborgen werden sollen.

Wie üblich ist Everybuddy kein Projekt eines einzelnen Entwicklers gewesen. Die grafische Benutzeroberfläche stammt von Jared Peterson, der MSN Support wurd von Shane Brady und der Yahoo Support von Troy Morrison implementiert. Außerdem steuerte Ben Rigas das Design der Webpage [5] bei.

Everybuddy ist bereits voll einsetzbar und die nächsten Aufgaben sehen die Entwickler darin, den Code etwas aufzuräumen und ein paar Dinge zu reorganisieren. Außerdem ist eine Implementation der einzelnen Protokolle als Plug-Ins angestrebt; da Torrey Searle dafür im Moment die Zeit fehlt, werden hierfür noch Interessenten gesucht.

Weiter geht es mit einem Projekt, welches von OKUJI Yoshinori in Japan aufgespürt wurde.

W3M

Bei W3M [6] von Akinori Ito handelt es sich um einen Pager wie "more" oder "less" und einen Text-Mode HTML-Browser ähnlich "Lynx" in einem. Diese auf den ersten Blick etwas ungewöhnliche Kombination hat historische Gründe, denn ursprünglich benötigte der Autor nur ein Programm, um Textfiles nach seinen Vorstellungen anzuzeigen. Der HTML-Bedarf entstand erst später und wurde dem Programm hinzugefügt.

Unter der Mithilfe anderer Entwickler, wie z.B. Hironori Sakamoto, Katsuya Okabe und Fumitoshi Ukai, ist W3M zu einem sehr schlanken HTML-Browser geworden. So ist es in der Lage, Frames und Tables korrekt zu rendern und weiß auch, mit der japanischen Sprache umzugehen. Außerdem wird HTTPS über die OpenSSL Library unterstützt. Trotzdem ist W3M kleiner als Lynx da es stark dem Prinzip der Auslagerung folgt. Viele Browser versuchen, alles in einem zu machen - W3M tut genau das Gegenteil, indem es externe Programme aufruft, wann immer es möglich ist. Um dies zu vereinfachen, besitzt es einen "local CGI" Mechanismus, der CGI-Skripte lokal ohne Webserver ausführen kann.

Außer der Tatsache, daß W3M logischerweise keine Bilder darstellen kann, sind dem Autor keine großen Schwächen bewußt, daher konzentriert sich die Entwicklung nun auf die Internationalisierung. Alles in allem macht das Projekt einen sehr runden Eindruck und dürfte vor allem Konsolen-Liebhabern und Puristen viel Freude bereiten. Aber auch dem "ganz normalen" User dürfte es zugute kommen, um "mal eben schnell" eine oder zwei Seiten Doku zu lesen.

Auch das dritte Projekt für diesen Monat dürfte von allgemeinem Interesse sein, da gute Finanzverwaltungen seit längerer Zeit zu dem gehören, was vielen Leuten fehlt.

Gnofin

Bei Gnofin [7] handelt es sich um einen "Personal Finance Manager", also ein Programm, mit dem man seine persönlichen Finanzen verwalten kann. Wie der Name bereits suggeriert, baut Gnofin auf GNOME auf, und obwohl es sehr schlank ist, unterstützt es eine bemerkenswerte Anzahl an Funktionen und taugt bereits für den täglichen Einsatz.

Als natives Fileformat verwendet Gnofin XML, was die Daten in einem gut zugänglichen Format hält. Es ist also kein Problem, auch aus eigenen Anwendungen darauf zuzugreifen. Zudem verfügt es über Quicken und CBB Import Filter, die es Umsteigern erlauben, die alten Daten in Gnofin zu übernehmen. An fortgeschrittenen Funktionen werden Dinge wie die üblichen Cut, Copy & Paste unterstützt aber auch ein mehrfaches Undo & Redo sind vorhanden. Bemerkenswert ist die Möglichkeit, verschiedene Konten in unterschiedlichen Währungen zu führen und bei Transaktionen zwischen den Konten einfach einen Umrechnungskurs anzugeben.

Entwickelt wurde Gnofin maßgeblich von Darin Fisher, wobei er durch Luc Saillard, Olivier Kaloudoff, Michel Piguel, Ted Lemon und Ryan Boren unterstützt wurde; und natürlich wird es unter der GNU General Public License vertrieben. Seit kurzem ist übrigens Luc Saillard der neue Maintainer und es kann damit gerechnet werden, daß die Entwicklung zügig voranschreitet. Aktuelle Probleme sind dabei die noch nicht vollständige Internationalisierung sowie das Fehlen einiger angestrebter Plugins.

Damit verlasse ich das Gebiet der Programme, die von allgemeinem Interesse sind und wende mich den eher außergewöhnlichen Projekten zu.

Bayonne

Bayonne [8], das Nachfolgeprojekt von ACS, ist seit kurzem Teil des GNU Projektes. Es handelt sich bei Bayonne um einen sogenannten "Telefonie Server" - doch das ist ein noch recht unspezifischer Begriff, der nahezu alle Programme umfasst, die über das Telefon per Sprache kommunizieren.

Zunächst einmal können mit Hilfe von Bayonne z.B. Voice-Mailboxen eingerichtet werden, da es voll skriptfähig ist. Dies kann natürlich auch dazu verwendet werden, Messaging-Systeme zu erstellen. David Sugar, der Autor von Bayonne, nennt es gerne das "Schweizer Taschenmesser" der "Telefonie Server", da auch die Unterstützung des tdM Bus, "Anrufumschaltung" und VoIP Gateway-Dienste in Arbeit sind.

Die Anwendungsmöglichkeiten sind mannigfaltig. Natürlich sind da zunächst stimmgesteuerte Anwendungen oder "voice mail" Systeme. Doch auch telefonbasierte Fernadministration von Systemen, eine automatisierte Bestellannahme, Durchführung von Abstimmungen oder die Auslieferung von Informationen oder Warnungen per Telefon liegen im Rahmen der Möglichkeiten.

Implementiert wurde Bayonne auf einer "event driven multithreaded" Basis, was für eine exzellente Skalierbarkeit - auch im Hinblick auf SMP - sorgt. Dadurch ist es definitiv für den Einsatz in Applikationen mit großem Durchsatz / starker Frequentierung zu gebrauchen. Hilfe hatte David Sugar bei der Entwicklung durch David Rowe, der den Voicetronix Support geschrieben hat. Allerdings ist noch viel zu tun und Hilfe ist ihm ausdrücklich willkommen.

Übrigens steht Bayonne nicht alleine, es ist Teil des GNUcomm Projektes [9], welches daran arbeitet, das gesamte Spektrum an multimedialer Kommunikationssoftware auf der Basis Freier Software zu implementieren. Gerade in diesem Bereich hat proprietäre Software bisher den Ton angegeben, was zu den üblichen Problemen führte - daher halte ich es für einen sehr guten und wichtigen Schritt.

Auch das nächste Projekt besitzt für den Großteil der Leserschaft wohl nur einen relativ kleinen praktischen Wert, dürfte aber trotzdem interessant sein.

Xnbc

Bei xnbc [10] handelt es sich um einen Simulator für biologische neurale Netzwerke, der durch das pariser Team von Jean-Francois Vibert zusammen mit einigen seiner Studenten und einem Kollegen aus Lausanne entwickelt wurde.

Dabei ist xnbc kein in sich geschlossenes Programm sondern vielmehr eine Ansammlung von Programmen, welche bestimmte Probleme lösen und auch alleine lauffähig sind. Zusammengehalten wird es durch ein leicht zu bedienendes grafisches Control-Panel basierend auf Motif/Lesstif, welches die einzelnen Komponenten miteinander verbindet. Vorhandene Komponenten umfassen zwei Neuronen Editoren, zwei Netzwerk Editoren, einen Wirkstoff-Editor, einen Simulator und für die Auswertung Möglichkeiten zur Visualisierung und Auswertetools für die Zeit- und Frequenz-Domänen. Außerdem gibt es mehrere Plotting-Module, um die Ergebnisse als Grafiken darzustellen.

Der große Vorteil von xnbc liegt darin, daß der Benutzer dank der graphischen Benutzeroverfläche keine Ahnung von Computern zu haben braucht, die Zielgruppe sind daher laut dem Autor "Computer naive Neurowissenschaftler". Vermutlich auch aus diesem Grund finden sich mit Hilfe von xnbc erstellte wissenschaftliche Studien in den Zeitschriften "Neural Networks", "Neuroscience", "Physica", "Biosystems" und sogar "Nature Medecine".

Da mit der Arbeit an xnbc bereits 1989 begonnen wurde, ist mittlerweile bereits Version 9 in Arbeit, für die geplant ist, verschiedene benannte Neurotransmitter zu implementieren, um unterschiedliche Rezeptoren im Netzwerk verwenden zu können. Außerdem ist längerfristig geplant, neue Modelle von Ionenkanälen dynamisch laden zu können.

Ach ja - natürlich untersteht xnbc der GNU General Public License.

Für unsere Midifreaks könnte der letzte Teil ein interessanter Tip sein.

TiMidity++

TiMidity war ursprünglich ein von Tuukka Toivonen entwickelter Konverter für Midi-Files in das Wave Format; doch nachdem die Entwicklung eingeschlafen war, hat Masanao Izumo zusammen mit ein paar anderen Leuten begonnen, dem Projekt neues Leben einzuhauchen. Mittlerweile ist TiMidity++ nicht nur ein Konverter sondern auch ein Programm zum Abspielen von Midi Files in Echtzeit mit einer sehr guten Qualität - und das auf reiner Software-Basis.

Dies macht es logischerweise zu einem recht CPU-hungrigen Programm, was dadurch abgemildert wird, daß es automatisch die Stimmen reduziert, wenn die CPU-Power nicht ausreicht, um das ganze File abzuspielen.

Da TiMidity++ sowohl über grafische wie auch textorientierte Interfaces bedient werden kann und in der Lage ist, auch netzwerkorientiert herunterzuladen / zu spielen und sogar Midi Files automatisch aus Archiven extrahieren und spielen kann, dürfte die Bandbreite an potentiellen Einsatzgebieten sehr groß sein.

Den Tip für dieses Feature bekam ich übrigens von Paolo Bonzini (dieser Name könnte treuen Lesern bekannt vorkommen), der dabei ist den experimentellen Module-File Spieler zu erweitern und andere herzlich dazu einlädt, sich ebenfalls zu beteiligen. Die Homepage [11] sollte ansonsten alle wichtigen Informationen enthalten.

...aus die Maus

So, das war es auch schon wieder für diesen Monat - diesmal komme ich leider nicht dazu, noch ein paar philosophische Gedanken auszubreiten, da mir momentan etwas die Ruhe fehlt. Ich hoffe aber, das beim nächsten Mal nachschieben zu können. Auf jeden Fall möchte ich mich bedanken für die tolle Resonanz auf meine Ausführungen zu den gesellschaftlichen Aspekten in der letzten Ausgabe - das hat mich ein wenig überrascht und sehr gefreut.

Bitte scheut Euch nicht, mir wieder Eure Ideen, Fragen, Anregungen oder Projekte per Email [1] zu schicken.

Infos

[1] Ideen, Anregungen, Kommentare an die Brave GNU World: column@gnu.org
[2] Homepage des GNU-Projektes: http://www.gnu.org/
[3] Homepage von Georg's Brave GNU World: http://www.gnu.org/brave-gnu-world/
[4] "We run GNU" Initiative: http://www.gnu.org/brave-gnu-world/rungnu/rungnu.de.html
[5] Everybuddy Homepage: http://www.everybuddy.com/
[6] W3M Homepage: http://ei5nazha.yz.yamagata-u.ac.jp/~aito/w3m/eng/
[7] Gnofin Homepage: http://gnofin.sourceforge.net/
[8] Bayonne Homepage: http://www.gnu.org/software/bayonne/bayonne.html
[9] GNUcomm Homepage: http://www.gnu.org/software/gnucomm/gnucomm.html
[10] Xnbc Homepage: http://www.b3e.jussieu.fr/xnbc
[11] TiMidity++ Homepage: http://www.goice.co.jp/member/mo/timidity/


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Last modified: Wed Jul 26 12:14:53 CEST 2000