Willkommen zur sechsten Ausgabe der Brave GNU World. Nachdem die letzten Ausgaben meistens von einem Thema dominiert wurden, versuche ich diesmal, wieder etwas mehr in die Breite zu gehen. Den Anfang macht dabei eine Einführung in die Java-Aktivitäten des GNU Projekts.
GNU und Java?
Auch wenn dies für manchen eine Überraschung sein mag, Java basierte GNU Projekte sind seit etwa einem Jahr kein Problem mehr. Durch Kaffe [4] und Japhar [5] stehen zwei freie Implementationen von Java zur Verfügung, wodurch die Voraussetzung für ein Engagement des GNU Projektes in diesem Bereich geschaffen wurde. Aktuelle Informationen zur Beziehung zwischen GNU Projekt und Java finden sich übrigens immer auf dem GNU Webserver [6].
Natürlich gehören zu einem wirklich freien Java-System auch die entsprechenden Klassen, weshalb das GNU Classpath Projekt daran arbeitet, einen freien Ersatz der proprietären "class libraries" von SUN zu schaffen. Dieses Projekt ist noch relativ jung und einige wichtige Dinge fehlen noch, wie z.B. die java.text Klasse. Zudem wird im Augenblick lediglich Japhar unterstützt, obwohl prinzipiell Kaffe die Implementation der Wahl ist. Wer sich für die Mitarbeit interessiert, der sollte einen Blick auf die Homepage [7] werfen und sich an die die dort erwähnte GNU Classpath Mailingliste wenden. Der Zeitpunkt für den Einstieg kann kaum günstiger sein, denn die Strukturen stehen bereits und es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich einzubringen.
Das nächste Projekt kommt aus einem Gebiet, in dem traditionell Firmen wie Microsoft, Novell oder IBM den Ton angeben: Network Directory Management Systems. Dabei geht es letztendlich um die Verwaltung von Benutzern, Rechnern, Email-Accounts und Projekten innerhalb von mittleren bis großen Netzwerken.
Ganymede
Ganymede [8] ist der Nachfolger von GASH und wird bereits seit seit über drei Jahren in der Computer Science Division der Applied Laboratories der Universität von Texas in Austin entwickelt. Dabei kam als Programmiersprache Java zum Einsatz, da sie eine hohe Plattformunabhängigkeit ermöglicht.
Das Konzept von Ganymede besteht nicht darin, die einzelnen Dienste wie LDAP, NIS, DNS, Radius, Tacacs, NT, Samba usw. zu ersetzen, sondern diese zu verwalten. Durch Ganymede wird eine einheitliche, zentrale Autorität geschaffen, die es über graphische Benutzeroberflächen sogar dem Laien erlaubt, administrative Tätigkeiten wahrzunehmen. Anpassung und Verteilung der eigentlichen Konfigurationen geschieht dann unsichtbar für den Benutzer über externe Perl oder Shell Skripte.
Die Stärken von Ganymede liegen auf der Hand. Zunächst einmal unterliegt es der GNU General Public License, ist also Freie Software. Zudem ist es darauf ausgelegt, "Plug-in" Module zu unterstützen, was in Kombination bedeutet, daß es keine Probleme geben dürfte, Ganymede an lokale Erfordernisse anzupassen. Der Server hat durch "multi-threaded" Design eine gute Performance, bereits ein P200 mit 64MB sollte ausreichen, um ein komplettes Netzwerk mit etwa 1000 Usern zu verwalten.
Natürlich existieren noch ein paar Schwächen, da beispielsweise eine Speicher-basierte Datenbank benutzt wird, denn die Speicherverwaltung von Java verhindert im Augenblick den Umstieg auf eine Festplatten-basierte Datenbank. Außerdem unterstützt Ganymede im Augenblick noch keine verteilten Server und auch eine Verschlüsselung der Übertragungen ist noch nicht möglich, es sollte also augenblicklich nur hinter einer Firewall eingesetzt werden.
Die Pläne für die nahe Zukunft beinhalten, das Programm offiziell als Vollversion mit ausreichender Dokumentation herauszubringen. Auf lange Sicht wird angestrebt, CORBA zu unterstützen, damit Ganymede auch in GNOME und KDE integriert werden kann.
Weiter geht es mit einem etwas abstrakteren Konzept, welches auch mit Hilfe von Java realisiert werden soll.
FreeNET
In einem Dokument von Ian Clarke wird der theoretische Hintergrund eines verteilten dezentralisierten Netzwerkes besprochen. Die Grundidee ist hierbei, daß die Daten nicht fest an einem Punkt sitzen wie dies beispielsweise bei einer Homepage der Fall ist, sondern sich frei durch ein Netzwerk bewegen.
Wenn ein Rechner eine bestimmte Information sucht, die noch nicht lokal verfügbar ist, so sucht er sie bei seinen nächsten Nachbarn. Nähe ist in diesem Zusammenhang übrigens nicht zwangsweise physikalisch, sondern vielmehr themenbezogen. Die Suche weitet sich so lange aus, bis das Dokument gefunden wurde und es dann durch die Struktur zum Fragenden durchgereicht wird. Dabei behält jede Zwischenstation eine Kopie der Information. Um ein Überfließen der Festplatten zu verhindern muß nun ein Weg gefunden werden, Informationen auch wieder loszuwerden. Dies wird augenblicklich noch über die Zeit gemacht, die seit der letzten Abfrage vergangen ist, hier sind durchaus bessere Ansätze denkbar.
Spielt jemand nun ein Dokument in Deutschland ins Netz ein, das von besonderem Interesse für eine Universität in den USA ist, so wird das Dokument mit der Zeit auch physikalisch nach dort wandern.
Dabei kann es natürlich passieren, daß alte oder unbeliebte Informationen irgendwann aussterben, die Funktionalität des FreeNET ist also am ehesten mit der der von News zu vergleichen. Die grundlegend andere Idee ist jedoch, ein Medium ohne zentrale Überwachung zu schaffen, bei dem sowohl der Autor als auch der Leser einer Information anonym bleiben. Auf diese Weise soll ein nicht zensierbares Forum entstehen, auf dem die Freiheit von Sprache und Meinung kultiviert werden kann.
Angesichts der Entwicklungen in Australien scheint es mir ein sehr interessantes Projekt zu sein und ich lege allen potentiellen Mitstreitern die Homepage ans Herz [9].
Von Patrick Spingys, dessen Anregung es übrigens war, einmal die Beziehung zwischen GNU und Java klarzustellen, kam auch die Bitte um das nächste Thema.
FreeDOS
Gestartet wurde das FreeDOS Projekt 1994 von Jim Hall und es handelt sich dabei um eine GPL lizensierte Version des altbekannten DOS für den PC. Dabei wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt Sourcecode aus MS-DOS verwendet, FreeDOS ist ein Neuentwurf desselben Konzepts.
Auch wenn GNU/Linux sicherlich das im Augenblick beliebteste freie Betriebssystem ist, so hat doch mancher DOS-Programme, auf die er nicht verzichten möchte. Für diese Fälle bietet FreeDOS ein freies Betriebssystem, welches auch die offizielle DOS-Implementation für den DOSEmu ist. Wer übrigens glaubt, daß sich auf diesem Gebiet nichts mehr täte, der irrt. Seit Juli 99 ist FreeDOS beispielsweise auf den GNU Software CD-ROMs vertreten und spätestens ein Blick auf die Homepage [10] macht das rege Interesse deutlich.
Da ich vor zwei Ausgaben einmal GNU Enscript vorgestellt habe, wurde ich nun gebeten, dasselbe auch für das folgende Projekt zu tun.
GNU a2ps
Wie der Name bereits suggeriert, handelt es sich bei GNU a2ps [11] der Autoren Akim Demaille und Miguel Santana um einen "Any to Postscript" Filter, also ein Programm, welches aus jeglichem Input ein gut formatiertes Postscript erzeugt.
GNU a2ps zeichnet sich durch eine sehr einfache Bedienung und eine große Anzahl an verstandenen Formaten aus. Beispielsweise verfügt es über den "card" mode, der speziell entworfen wurde, um die Hilfetexte anderer Programme zu vernünftigen Referenzkarten umzuwandeln. Da es sich auf Postscript konzentriert, hat es einige besondere Eigenheiten wie z.B. ein "pdiff", bei dem die Unterschiede zwischen zwei Postscript Files angezeigt werden.
Sowohl GNU a2ps als auch GNU Enscript sind GNU Projekte und die Zielsetzungen sind durchaus vergleichbar, die Prioritäten sind jedoch jeweils leicht verschoben. Über eine Kooperation bzw. Zusammenlegung der Projekte wurde zwar einmal nachgedacht, jedoch sind einige Vorstellungen so unterschiedlich, daß beschlossen wurde, lieber die Vielfalt zu erhalten. Aus diesem Grunde liegt es wohl beim Benutzer, seine Wahl zu treffen.
Das nächste Projekt existiert eigentlich noch nicht. Genauer gesagt möchte ich es hiermit starten.
We run GNU
Nachdem ich mich über die nur spärlichen GNU Arts auf dem Netz beklagt habe, hat sich David S. de Lis bei mir gemeldet und seine ersten Entwürfe zugeschickt, zu diesen gehört auch der hier gezeigte.
Über die letzten 16 Jahre hat sich GNU Software bei Fachleuten einen sehr guten Ruf erworben und es wird langsam Zeit, dies auch nach Außen zu zeigen. Das Interesse nach mehr GNU Motiven hat deutlich zugenommen, doch bisher hat sich hier leider zu wenig getan. Durch das GNU Image Manipulation Program GIMP existiert jetzt seit einer Weile das ideale Werkzeug, um dem abzuhelfen - nun interessiert es mich, was ein entschlossener Graphiker damit anstellen kann.
Es ist alles denkbar und alles erlaubt, von Motiven für Becher über T-Shirts zu Stickmustern bin ich für alles zu haben. Wer Interesse daran hat, seine Entwürfe einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, dem kann ich einen Platz auf dem GNU Webserver [12] anbieten, wo sich bereits die Entwürfe von David S. de Lis befinden.
Die letzten Meter
Es gibt noch zwei Dinge, die ich gerne loswerden würde. Erstens habe ich mich mit Okuji Yoshinori darüber unterhalten, warum Leute an Freier Software arbeiten. Diese Frage kann wohl keiner allgemeingültig beantworten, daher bitte ich Euch, mir Eure ganz persönlichen Gründe zu schreiben.
Zweitens bekam ich neulich eine Mail in der jemand nicht genau wußte, ob er sich mit seinem Projekt an mich wenden könne, da es zwar der GPL unterliege, das Copyright jedoch bei einer Universität läge. Daher möchte ich dies noch einmal klarstellen. Diese Kolumne versucht, ein Forum für alle Freie Software zu bieten - ob es sich dabei nun um offizielle GNU Projekte handelt oder nicht. Jeder ist willkommen, mir seine Ideen oder Fragen zu schicken und Freie Software hat generell die Möglichkeit, hier einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt zu werden.
In diesem Sinne bitte ich auch diesmal wieder um Anregungen, Kommentare und Ideen, die Adresse steht wie üblich in der Infobox [1].
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Copyright (C) 1999 Georg C. F. Greve and Linux-Magazin
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Updated: $Date: 2008/06/16 16:43:20 $ $Author: mattl $